Die Regulierung von Wasserstoffnetzen könnte einerseits zukünftigem Missbrauch von Marktmacht vorbeugen und für mehr Planungssicherheit für Unternehmen sorgen. Sie könnte aber andererseits auch den Aufbau eines reinen Wasserstoffnetzes durch zusätzliche Regulierungskosten und Ineffizienzen hemmen. Im gemeinsamen, interdisziplinären Policy Brief „Der Regulierungsrahmen für Wasserstoffnetze – Eine ökonomische und rechtliche Einordnung vor dem Hintergrund des angestrebten Markthochlaufs“ diskutiert ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln und des Instituts für Energiewirtschaftsrecht (EWIR) der Universität zu Köln ökonomische und rechtliche Aspekte einer möglichen Regulierung von Wasserstoffnetzen im Lichte des geplanten Markthochlaufs.
Gegenwärtig gibt es eigenständige Wasserstoffnetze lediglich in zwei Industrieclustern. In diesen Netzen interagieren nur wenige Akteure, sodass bisher keine Regulierung erforderlich ist. Wie sich die Netzstruktur für Wasserstoff unter dem geplanten Markthochlauf entwickeln wird, ist noch offen. Daher wird kontrovers diskutiert, welcher Regulierungsrahmen für zukünftige Wasserstoffnetze angebracht ist.
Unternehmen, die heute in Wasserstoffleitungen im nicht-regulierten Umfeld investieren, riskieren, dass ihre Handlungsspielräume und Erlösmöglichkeiten mit der Einführung von Regulierung eingeschränkt werden. Ferngasnetzbetreiber, die bereits konkrete Pläne für den Aufbau einer reinen Wasserstoffinfrastruktur ausgearbeitet haben, sehen sich durch rechtliche Hindernisse an deren Umsetzung gehindert. „Wenn die Politik den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft fördern will, sollte sie sich dazu bekennen, ob und wenn ja, wie die Netze reguliert werden“, sagt Dr. Simon Schulte, Manager am EWI, der am Policy Brief von Seiten des EWI zusammen mit Dominic Lencz und David Schlund beteiligt war.
Zwar wird Wasserstoff unter bestimmten Voraussetzungen schon jetzt vom Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erfasst, ein Regulierungsrahmen für reine Wasserstoffnetze besteht aber nicht. „Ob etwaige Änderungen dann im EnWG, als eigenes Wasserstoffinfrastrukturgesetz oder gar im Zuge einer kompletten Neuordnung des Energierechts in einem eigenen Gesetzbuch umgesetzt würden, ist zweitrangig. Wichtig ist in allen Fällen, sich eng mit dem EU-Regulierungsrahmen abzustimmen und – wo notwendig – auch auf EU-Ebene auf Änderungen zu dringen“, ergänzt Dr. Max Baumgart, der gemeinsam mit Felix Berger und Felix Mansius auf Seiten des EWIR an der Ausarbeitung mitgewirkt hat.
Entscheidet sich die Politik für eine weitergehende Regulierung als den Status Quo, muss sie – unabhängig von der EU-rechtlichen Zulässigkeit – abwägen, ob die gegenwärtigen Ferngasnetzbetreiber den Aufbau übernehmen sollten. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein Aufbau des Netzes durch Ferngasnetzbetreiber die effiziente Einbindung bestehender Pipelines vereinfachen, allerdings zusätzliche Doppelstrukturen und Koordinationsaufwand verursachen würde und zudem derzeit womöglich nicht EU-rechtskonform wäre. Bei einem Betrieb durch Ferngasnetzbetreiber stellt sich zusätzlich die im Policy Brief diskutierte Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Erlösobergrenze für Erdgas- und Wasserstoffnetze nach dem geltenden Recht angewendet werden könnte und ökonomisch sinnvoll wäre.