Lastmanagement und Energieeffizienz in der Industrie könnten einen noch größeren Beitrag zur Transformation der Energiesysteme in Deutschland und China leisten, wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen anders ausgestaltet wären. Hierfür existieren in beiden Märkten Optionen zur Hebung vorhandener Potenziale.
Das ist das Ergebnis der Studie „A Comparative Analysis and Simulation of DSM and Energy Efficiency in Chinese and German Industry“ des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln im Auftrag der Deutschen Energieagentur (dena). Darin hat das Team den regulatorischen Status Quo, Herausforderungen für Unternehmen sowie Optionen für die Politik analysiert. Außerdem hat das EWI den Einfluss von vermehrtem Lastmanagement und gesteigerter Energieeffizienz auf künftige Stromkosten und CO2-Emissionen in Deutschland und China simuliert.
Sowohl Deutschland als auch China streben mittelfristig Klima- bzw. Kohlenstoffneutralität an. Die Ausgangslage in den beiden Ländern ist jedoch unterschiedlich: Während die erneuerbaren Energien in Deutschland mittlerweile durchschnittlich 41 Prozent zur Stromerzeugung beitragen, ist die chinesische Stromerzeugung derzeit noch hauptsächlich kohlebasiert. Doch der EE-Anteil im Land beträgt mittlerweile 27 Prozent und die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen steigt derzeit stärker als die Erzeugung aus thermischen Kraftwerken.
Aktives Lastmanagement in der Industrie richtet die Stromnachfrage an der Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien aus und reduziert damit die Treibhausgasemissionen der Produktion. Diese Ausrichtung kann beispielsweise über marktliche Signale wie den Strompreis gesteuert werden. Eine andere Möglichkeit, die CO2-Emissionen der Industrie zu verringern, sind energieeffizientere Prozesse, bei denen der Strombedarf der Produktion reduziert wird.
Die aktuellen Voraussetzungen für industrielles Lastmanagement und zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen unterscheiden sich zwischen Deutschland und China. In China konnte die Politik in den vergangenen Jahren durch ein umfassendes Maßnahmenpaket, von verpflichtenden Zielen bis zu finanziellen Anreizen, die Energieeffizienz in der Industrie steigern. Das Lastmanagement basiert derzeit auf ordnungsrechtlichen Maßnahmen – wobei die Politik beginnt, auch marktbasierte Anreize für die Industrie zu implementieren.
In Deutschland kann die Industrie ihre Lastflexibilität bereits auf unterschiedliche Weise vermarkten. Allerdings behindern regulatorische Fehlanreize den häufigeren Einsatz von marktdienlichem Lastmanagement. „Der Aufbau marktlicher Anreize und der Abbau regulatorischer Hürden für industrielles Lastmanagement bergen großes Potenzial für eine gelungene Transformation der Energiesysteme in Deutschland und in China“, sagt Dr. Philip Schnaars, Senior Research Consultant am EWI, der die Studie gemeinsam mit Tobias Sprenger, Patricia Wild und Julian Keutz erstellt hat.
Wie hoch genau der Beitrag ist, den Lastmanagement und Energieeffizienz leisten können, hängt von den technischen Gegebenheiten des jeweiligen industriellen Prozesses ab. Herstellungsprozesse, in denen der Strombezug ohne einen nennenswerten Produktionsrückgang lange zeitlich verschoben werden kann (z.B. in der Zementindustrie), bieten die relativ größten Potenziale für den Einsatz von Lastmanagement.
Das EWI zeigt anhand einer Simulation eines möglichen künftigen Strommarktes in Deutschland und China, dass die deutsche Zementindustrie mit CO2-Einsparungen von 103 Kilotonnen im Jahr 2030 den relativ größten Beitrag zur Energiesystemtransformation über ein Lastmanagement am Spotmarkt leisten könnte. (Das EWI stellt das Simulationstool zusammen mit der Studie kostenlos zur Verfügung, siehe hier.)
Dieses Potenzial lässt sich allerdings nur realisieren, wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Vermarktung von Lastmanagement verbessert werden. „Das Marktdesign sollte die unterschiedlichen technischen Gegebenheiten der Herstellungsprozesse berücksichtigen und unterschiedliche Vermarktungsoptionen für Lastmanagement gewährleisten“, sagt Dr. Schnaars. „Zum Beispiel könnte Deutschland hohe Ansprüche an die Präqualifikation für die Teilnahme an Flexibilitätsmärkten reduzieren. Außerdem könnten Fehlanreize abgeschafft werden, die beispielsweise durch die derzeitige individuelle Netzentgeltberechnung entstehen.“
Für China entwickelt das EWI-Team in der Studie mehrere Optionen, mehr marktbasiertes Lastmanagement einzusetzen. Diese Optionen basieren jeweils auf einem marktlichen Preissignal, berücksichtigen die aktuelle Ausgestaltung des chinesischen Stromsystems und können damit einen Entwicklungspfad für den künftigen chinesischen Strommarkt vorgeben. Für die Steigerung von Energieeffizienz in der Industrie ist ein Zusammenspiel von Preissignalen sowie verpflichtenden Maßnahmen besonders geeignet. So kann beispielsweise die Preisdifferenz in bereits bestehenden Peak-Valley-Preissystemen erhöht und damit der Anreiz zum aktiven Lastmanagement verstärkt werden.
Die Forschung wurde im Rahmen des Sino-German Energy Transition Project durchgeführt. Als Teil der Deutsch-Chinesischen Energiepartnerschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt das Projekt “Sino-German Energy Transition” chinesische und deutsche Think Tanks dabei, den deutsch-chinesischen wissenschaftlichen Austausch zur Energiewende zu stärken und deutsche Erfahrungen mit der Energiewende mit einem chinesischen Publikum zu teilen. Das Projekt zielt darauf ab, eine kohlenstoffarme Energiepolitik zu fördern und den Aufbau eines effektiveren, kohlenstoffarmen Energiesystems in China durch internationale Zusammenarbeit und Politikforschung und Modellierung zum gegenseitigen Nutzen zu unterstützen.