EU ETS2 könnte Energiepreise für Haushalte erhöhen

EU ETS2 könnte Energiepreise für Haushalte erhöhen
10. April 2025 |

Das ab 2027 geplante europäische Emissionshandelssystem EU ETS2 könnte im Gebäude- und Verkehrssektor die CO₂-Preise erhöhen. Dies hat Verteilungseffekte und steigert den Druck auf Haushalte, in klimaneutrale Technologien zu investieren.

Mit dem Start des europäischen Emissionshandelssystems EU ETS2 ab dem Jahr 2027 rückt die CO₂-Bepreisung von Emissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr in den Fokus der europäischen Klimaschutzpolitik. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass die CO₂-Preise im neuen Emissionshandelssystem auf mehr als 160€/t CO2-äq steigen könnten. Dies wäre deutlich höher als bisher durch die Europäische Kommission erwartet und hätte spürbare Auswirkungen auf Haushalte und in Form von Verteilungseffekten auch auf Volkswirtschaften.

In der Analyse „Auswirkungen und Preispfade des EU ETS2“ des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) simulieren Polina Emelianova, Philipp Artur Kienscherf (Projektleiter), Tobias Leibfritz und Nicole Niesler mittels eines numerischen Energiesystemmodells und eines Modells des EU ETS2 einen möglichen CO₂-Preispfad. Der berechnete Preispfad beruht dabei auf vereinfachenden Annahmen und ist als Szenario zu verstehen, das als Ausgangspunkt für weitergehende Untersuchungen dienen kann. Die Analyse wurde durch die Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e. V. gefördert.

Hoher Investitionsbedarf für Emissionsvermeidung

Der ermittelte CO₂-Preispfad steigt im betrachteten Szenario von 2027 bis 2035 von rund 120€/t CO₂-äq auf über 200 €/t CO2-äq an. Die Emissionsbepreisung läge damit nicht nur oberhalb der Zielmarke der EU-Kommission von 45 €/t CO₂-äq, sondern auch deutlich höher als der aktuelle Preis im deutschen nationalen Emissionshandelssystem (EHS) von 55 €/t CO₂-äq. Die Ursache sind vor allem die hohen kurzfristigen investiven Grenzvermeidungskosten in den Endverbrauchssektoren. Als Grenzvermeidungskosten bezeichnet man die zusätzlichen Kosten, die anfallen, um den Ausstoß einer weiteren Tonne THG-Emissionen zu vermeiden.

„Besonders im europäischen Gebäudesektor sind die kurzfristigen Reduktionspotenziale begrenzt“, sagt Philipp Artur Kienscherf, Head of Research Area am EWI. „Investitionen, etwa in Wärmepumpen oder Gebäudesanierungen, sind zur Erreichung der Klimaziele notwendig, aber kostenintensiv – und sie verlaufen schleppend.“ Auch im Verkehrssektor würde im projizierten Gleichgewichtspfad deutlich stärker in klimaneutrale Fahrzeuge investiert werden als bisher.

Soziale und ökonomische Herausforderungen

Obwohl mit dem Klima- und Sozialfonds (KSF) ein Instrument zur Abfederung sozialer Härten geschaffen wurde, bleibt unklar, ob allein die hieraus getätigten Kompensationszahlungen disruptive Effekte im Übergang des nationalen EHS auf den EU ETS2 abfedern können. Neben der nationalen Verteilung der Einnahmen erfolgt durch den Mechanismus auch eine europäische Umverteilung. Für Deutschland zeigen sich im betrachteten Szenario bis zum Jahr 2032 in Summe Zertifikatskosten von mehr als 20 Mrd. € für private Haushalte, denen keine öffentlichen Einnahmen aus dem EU ETS2 gegenüberstehen.

Zugleich wird deutlich: Politische und verhaltensökonomische Unsicherheiten könnten den Effekt des marktbasierten Instruments mindern. Die im Szenario errechneten Endverbrauchspreise für Heizöl (+50 % bis 2035) oder Erdgas (+32 %) könnten darüber hinaus die Akzeptanz des Klimaschutzinstruments gefährden, insbesondere falls Kompensationszahlungen nicht zielgerichtet soziale Härten abfedern sollten. Hinzu kommen möglicherweise notwendige Entlastungen für betroffene Gewerbeunternehmen, die andernfalls Mehrkosten an Endkunden weitergeben könnten, was wiederum Verteilungswirkungen zur Folge hätte.

CO₂-Bepreisung allein könnte unzureichend sein

Die Analyse zeigt auch, dass kein CO₂-Preispfad unter 250 €/t CO₂-äq bis zum Jahr 2030 ausreicht, um die Ziele der Effort Sharing Regulation der EU im Rahmen des Fit for 55-Programms zu erreichen. Um die Sektoren Gebäude und Verkehr zu dekarbonisieren, könnten flankierende Maßnahmen wie Förderprogramme, ordnungsrechtliche Vorgaben und soziale Kompensation ebenfalls beitragen.

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