Die Entwicklung der Preise für Steinkohle, Gas und Emissionszertifikate hat im vergangenen Jahr einen Brennstoffwechsel von Kohle zu Erdgas begünstigt. Das zeigt eine Kurzanalyse, die ein Team des EWI mit Hilfe des aktualisierten EWI Merit-Order Tools 2020 angefertigt hat. Im Mittelpunkt stehen die Auswirkungen unterschiedlicher Preisentwicklungen auf die durchschnittliche Merit-Order des deutschen Strommarktes. So verursachte die Entwicklung der Spotpreise für Steinkohle, Erdgas und Emissionszertifikate im vergangenen Jahr strukturelle Veränderungen in der durchschnittlichen Merit-Order des konventionellen Kraftwerksparks. Fallende Spotpreise für Erdgas trafen im Verlauf des Jahres 2019 auf steigende Preise für Emissionszertifikate (EUA), während die Preise für Steinkohle im Verhältnis geringfügig fielen (Abbildung 1).
In der Folge hat sich auch die Reihenfolge der Kraftwerke in der durchschnittlichen Merit-Order der konventionellen Kraftwerke im Jahr 2019 (Abbildung 2 unten) gegenüber dem Jahr 2018 (Abbildung 2 oben) deutlich verändert, zeigen Berechnungen mit Hilfe des Tools. Während die Grenzkosten der meisten Braunkohlekraftwerke im Jahr 2018 niedriger waren als die der Steinkohle- und Gaskraftwerke, zeigt sich im Jahr 2019, dass sich die Grenzkosten der Erzeugungstechnologien Braunkohle, Steinkohle und Gas und Dampf (GuD) deutlich angenähert haben.
„Die mittleren Grenzkosten effizienter GuD-Kraftwerke waren, basierend auf unseren Annahmen, niedriger als die Grenzkosten der effizientesten Steinkohleblöcke“, sagt EWI Research Associate David Schlund, der das Tool gemeinsam mit Dr. Simon Schulte und Fabian Arnold entwickelt hat.
Diese Entwicklung lässt sich auch in der realisierten Erzeugung der vergangenen zwei Jahre ablesen: Im Vergleich zum Jahr 2018 hat die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken im Jahr 2019 um ca. 10,3 TWh zugenommen, während die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle um ca. 53,5 TWh zurückgegangen ist (Quelle: smard.de). Weitere Gründe für den Rückgang der Kohleverstromung liegen in der Zunahme der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie im Rückgang der deutschen Nettostromexporte. Letzterer kann – zumindest in Teilen – auch auf die Veränderung der Merit-Order der Kraftwerke im europäischen Strommarkt zurückgeführt werden.
Das Tool steht nun auch in englischer Sprache kostenlos zum Download bereit.