Wie wirkt der beschleunigte Kohleausstieg auf den Großhandelsstrompreis – und wie kann man diesen Effekt im Zuge eines Ausgleichsmechanismus abschätzen? Drei konkrete Methoden dazu haben die EWI-Wissenschaftler Dr. Simon Schulte, Fabian Arnold und David Schlund in einem neuen Gutachten im Auftrag der WirtschaftsVereinigung Metalle e.V. entwickelt. Außerdem haben sie analysiert, welche Effekte der vom Kabinett beschlossene Kohleausstieg auf die übrigen Stromkostenkomponenten von Industrieunternehmen hat.
Hintergrund ist, dass sowohl im Abschlussbericht der WSB-Kommission als auch im vom Kabinett beschlossenen Kohleausstiegsgesetz ein Ausgleichsmechanismus gefordert wird. Dieses Instrument soll einen Ausgleich für (Großhandels-)Strompreisanstiege schaffen, die möglicherweise durch den Kohleausstieg auf die stromintensive Industrie zukommen. Inwiefern diese Ausgleichsmaßnahmen notwendig sind, um weiterhin die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu gewährleisten, ist nicht Bestandteil des Gutachtens.
„Im aktuellen Gesetzentwurf wird ein ,Zuschuss für zusätzliche Stromkosten‘ erwähnt. Bislang ist aber nicht klar, mit welcher Berechnungsmethode ein möglicher Preisanstieg quantifiziert werden soll“, sagt EWI-Manager Dr. Simon Schulte. „Wir glauben deshalb, dass wir mit unseren drei Ansätzen einen wertvollen Beitrag zur Diskussion leisten.“ Die Methoden unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Güte, Transparenz und Praktikabilität und werden im Gutachten dementsprechend eingeordnet und bewertet.
Zu den potentiell höheren Großhandelsstrompreisen kommt es aufgrund der veränderten Merit-Order, also der Einsatzreihenfolge der Kraftwerke am Markt. Wenn durch die Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken und von Gaskraftwerken häufiger Kraftwerke mit höheren Grenzkosten den Preis setzen, dann steigt der Strompreis. Dies hängt auch vom Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie Veränderungen im Strom-Außenhandel ab.
Der Effekt des Kohleausstiegs auf die Strompreiskompensation, die stromintensive Industrieunternehmen für indirekte CO2-Kosten im Großhandelsstrompreis erhalten, ist aktuell noch unklar. Der zur Berechnung der Höhe der Strompreiskompensation verwendete Emissionsfaktor wird in diesem Jahr für den Zeitraum ab 2021 von der EU-Kommission festgelegt. Ob der deutsche Kohleausstieg einen Effekt auf die Strompreiskompensation hat, hängt maßgeblich davon ab, inwiefern die Anpassung des Emissionsfaktors auf den deutschen Kohleausstieg zurückgeführt werden kann.
Würde der Emissionsfaktor aufgrund des beschleunigten Kohleausstiegs von der EU-Kommission auf einen niedrigeren Wert festgelegt als ohne den Kohleausstieg, führt dies dazu, dass die Stromkosten für die kompensationsberechtigten Unternehmen steigen. Dieser Effekt kann allerdings nicht abschließend bewertet werden, da der Emissionsfaktor und dessen Berechnungsmethode für die Jahre nach 2020 noch nicht definiert sind.
Im Gutachten untersuchen die Autoren außerdem qualitativ die Auswirkungen des politisch beschlossenen Kohleausstiegs auf die Netzentgelte und die EEG-Umlage. Die Netzentgelte könnten durch die veränderten Kosten für Netzausbau, Engpassmanagement und für die Vorhaltung von Reserven zur Sicherung der Markträumung beeinflusst werden. Nimmt man an, dass der Kohleausstieg keinen Einfluss auf die Kapazität und Erzeugung Erneuerbarer Energien hat, wird die Höhe der EEG-Umlage durch den Kohleausstieg nur über den Strompreis beeinflusst. Steigt der Großhandelsstrompreis aufgrund des beschleunigten Kohleausstiegs an, sinkt der auszugleichende Differenzbetrag. In der Konsequenz sinkt die EEG-Umlage.