Der Koalitionsvertrag der designierten Bundesregierung enthält zahlreiche Maßnahmen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) zeigt, wie sich der Stromsektor entwickeln könnte, wenn die Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag so umgesetzt werden.
Für den ins Jahr 2030 vorgezogenen Kohleausstieg wäre ein Zubau von insgesamt 23 GW wasserstofffähigen Gaskraftwerken notwendig. Zusätzlich ist ein jährlicher Nettozubau von 14,6 GW Photovoltaik, 2,2 GW Offshore-Wind und 3,9 GW Onshore-Wind nötig, um die Ausbauziele des Koalitionsvertrags zu erreichen. „Der durchschnittliche jährliche Zubau von Photovoltaik und Offshore-Wind der vergangenen zehn Jahre müsste dafür mehr als verdreifacht werden“, sagt Dr. Johannes Wagner, Manager am EWI.
Das sind zentrale Ergebnisse der neuen EWI-Analyse „Auswirkungen des Koalitionsvertrags auf den Stromsektor 2030“. Das EWI analysiert die zentralen Ziele des Koalitionsvertrags und ordnet sie im Hinblick auf das deutsche Stromsystem im Jahr 2030 ein. Die Analyse basiert auf dem Szenario „Klimaneutralität 100“, welches das EWI in seinem Gutachterbericht im Rahmen der „dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ entwickelt hat, und erweitert das Szenario um die Ziele des Koalitionsvertrags zu einem möglichen Zielbild.
Zwei neue Zielvorgaben sorgen für eine weitere Erhöhung der Bruttostromnachfrage. Zum einen werden im Koalitionsvertrag mindestens 15 Millionen vollelektrische PKW bis zum Jahr 2030 angestrebt. Damit einhergehend müsste bis zum Jahr 2025 der Anteil der Neuzulassungen von vollelektrischen PKW an den gesamten PKW-Zulassungen auf rund 83 Prozent steigen. Bis zum Jahr 2030 müsste ein Wert von rund 94 Prozent erreicht werden. Zum anderen soll die installierte Leistung von Elektrolyseuren 10 GW bis 2030 betragen. Die Bruttostromnachfrage steigt damit im untersuchten Szenario auf insgesamt 725 TWh im Jahr 2030.
Basierend auf der Entwicklung der Stromnachfrage steigt die inflexible Nachfragespitze von 77 GW im Jahr 2019 auf 95 GW im Jahr 2030. Diese muss durch eine Kombination aus Industrieflexibilität, Stromimporten, Speichern und steuerbaren Kraftwerken gedeckt werden. Die designierte Bundesregierung möchte den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorziehen. Ausgehend von 2019 würden rund 25 GW Steinkohle und 21 GW Braunkohle stillgelegt.
„Der frühzeitige Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 erfordert unter anderem einen signifikanten Zubau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke von 23 GW bis 2030, der aktuell geplante Ausbau liegt bei lediglich 2,3 GW“, erläutert EWI-Manager Max Gierkink.
Laut Koalitionsvertrag sollen 80 Prozent des Bruttostrombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Für Photovoltaik wird eine Gesamtkapazität von 200 GW im Jahr 2030 angestrebt. Dies entspricht einer Verdoppelung der bisherigen Zielsetzung des EEG 2021. Wind Offshore Kapazitäten sollen auf 30 GW ausgebaut werden – das 1,5-fache des bisherigen Ziels. Aus den Modellrechnungen ergibt sich für die installierten Onshore-Wind-Kapazitäten ein Ausbau auf etwa 94 GW. Im EEG 2021 waren bisher 71 GW als Ziel definiert. Durch den hohen anvisierten Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt Deutschland auch im Jahr 2030 Netto-Exporteur von Strom. Die Exportbilanz beträgt 14 TWh.
Infolge des Kohleausstiegs bis 2030 und des hohen Ausbaus der erneuerbaren Energien könnten die Treibhausgasemissionen im Energiesektor auf 82 Mt CO2e sinken. Das sektorale Klimaziel von 108 Mt CO2e wird in diesem Fall deutlich unterboten.