Eine Teilung der deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone könnte die Wohlfahrt auf dem Strommarkt der aktuellen Studienlage nach senken. Während ein Gebotszonensplit in der Theorie den Redispatchbedarf senken und systemdienliche Investitionen anreizen kann, ergeben sich in der Praxis diverse Friktionen, die die Wirksamkeit eines Splits einschränken könnten.
Im neuen Policy Brief „Gebotszonensplit in Deutschland: Worum geht es?“ erklärt ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln mögliche Vor- und Nachteile einer Zweiteilung der deutsch-luxemburgischen Gebotszone in Nordost und Südwest und ordnet diese mithilfe eines Literaturüberblicks über den aktuellen Forschungsstand in ihren etwaigen Auswirkungen auf die Wohlfahrt ein.
Deutsche Netzengpässe entstehen insbesondere aufgrund der Durchleitung von günstigem Windstrom aus Nordostdeutschland in die Lastzentren des Südwestens (Abbildung 1). Durch diese Engpässe entstehen Wohlfahrtsverluste, da das Marktergebnis durch Redispatchmaßnahmen angepasst werden muss. Außerdem wirken die Engpässe negativ auf die Wohlfahrt in benachbarten Stromsystemen. Eine Möglichkeit, Redispatchmaßnahmen und somit Kosten zu senken, ist, Netzengpässe im Marktergebnis zu internalisieren. Durch eine erhöhte Berücksichtigung von bestehenden regionale Erzeugungs-, Netz- und Verbrauchsstrukturen erhöht sich potenziell die Effizienz von Strommärkten und der Stromnetzbewirtschaftung.
Hierzu werden verschiedene Gebotszonenkonfigurationen von der europäischen Regulierungsbehörde ACER im Rahmen des Bidding Zone Review Prozesses simuliert und analysiert. Der meistdiskutierte Vorschlag für die deutsch-luxemburgische Zone sieht dabei eine mögliche Zweiteilung in eine nordöstliche und südwestliche Zone vor.
In der Theorie würden in beiden Gebotszonenkonfigurationen dieselben Kraftwerke eingesetzt: Während in der aktuellen Konfiguration Netzbetreiber das Marktergebnis durch Redispatch anpassen müssen, würden Netzrestriktionen in geteilten Zonen genauer berücksichtigt. In der Südwestzone wären im Durchschnitt höhere Großhandelsstrompreise als im Nordosten zu erwarten, was Verteilungseffekte zwischen Erzeugern und Verbrauchern beider Zonen implizieren würde. Langfristig würden diese Preisdifferenzen eine systemdienliche und somit wohlfahrtserhöhende Verortung von Erzeugung, Verbrauch und Flexibilitäten anregen.
In der Praxis lassen sich jedoch Beschränkungen beobachten, die die beschriebenen Effekte verzerren und Wohlfahrtsgewinne mindern könnten. Abbildung 2 zeigt die theoretischen Wohlfahrtsgewinne der statischen und dynamischen Betrachtung (gelbe Pfeile) gegenüber den praktischen Einschränkungen einer Zonenteilung.
Kurzfristig dürfte ein Gebotszonensplit die derzeit beobachteten Redispatchmengen nur eingeschränkt senken, da innerhalb der Zonen ein Redispatchbedarf verbleibt. Ebenso sind potenziell wohlfahrtsmindernde Effekte durch geringere Liquidität oder erhöhte Marktmacht zu erwarten. Es ist unklar, inwiefern die vermutlich geringen Preisdifferenzen zwischen den Zonen reichen, um langfristige Investitionsanreize für Erzeuger, Verbraucher und Flexibilitäten zu setzen. Dies liegt neben diversen weiteren Standortfaktoren nicht zuletzt auch an statischen Tarifstrukturen sowie der Verzerrung von Endkundenpreisen durch staatliche Abgaben und Netzentgelte. In jedem Fall setzen die Preisdifferenzen keine räumlichen Investitionsanreize innerhalb der Zonen, was neue Engpässe induzieren könnte. Langfristig reduziert der geplante Übertragungsnetzausbau den Engpass zwischen beiden Zonen, was wiederum die Stabilität der Zonenkonfiguration beeinträchtigen würde, da dieser strukturelle Engpass unter anderem die Grundlage der Teilung bildet. Genau diese Stabilität könnte allerdings für die regionalen Investitionsentscheidungen ausschlaggebend sein.
In Summe birgt eine Zonenteilung zwar theoretische Vorteile sowohl in der kurzen wie auch langen Frist, jedoch scheint die vollumfängliche Realisierung dieser Vorteile in der Realität nicht möglich. Demgegenüber ließe sich die Effizienz der Stromerzeugung und -verteilung in der uniformen Zone durch verschiedene alternative Maßnahmen steigern, welche auf die Etablierung räumlicher Investitions- und Dispatchanreize setzen. Eine abschließende Bewertung des Gebotszonensplits erfordert somit auch die Erforschung alternativer regulatorischer Regionalisierungsmaßnahmen auf statische und dynamische Effizienz der uniformen und geteilten Gebotszonen.