„Im Zusammenhang mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine hat das Thema ,Wasserstoff-Markthochlauf‘ noch einmal an Bedeutung gewonnen“, sagte Dr. Eren Çam, Manager und Leiter des Bereichs Energierohstoffe am EWI, zu Beginn der digitalen Veranstaltung mit mehr als 150 Teilnehmenden.
Im ersten Teil der Veranstaltung ging es um die Auswirkungen möglicher Grünstrom-Kriterien auf Elektrolyseure. Die Europäische Kommission arbeitet an einer Definition, was genau als „grüner“ Wasserstoff gelten soll. Eines der Kriterien soll voraussichtlich sein, dass der Wasserstoff mit Hilfe von (zusätzlichem) grünen Strom produziert wird. Außerdem soll die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zeitlich und bilanziell ungefähr mit dem Stromverbrauch des Elektrolyseurs übereinstimmen („Gleichzeitigkeitsregel“).
„Wird diese Regel von der EU eher streng ausgelegt, sinken zwar die indirekten Emissionen im Stromsektor“, sagte Philipp Theile, Senior Research Associate am EWI. „Dafür könnten Elektrolyseure deutlich weniger wirtschaftlich sein und auch weniger produzieren. Die Politik steht vor einem Dilemma.“ Die vorgestellten Erkenntnisse stammen aus dem Policy Brief „Die Gleichzeitigkeitsregel für erneuerbare Strom- und Wasserstoffproduktion – Eine Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Elektrolyseuren“.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte David Schlund Forschungsergebnisse zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland vor. In der Studie „Wasserstoffmarkthochlauf in Ostdeutschland bis 2045 – Eine Infrastrukturanalyse anhand der regionalen Erzeugungspotenziale und Bedarfe” hatte ein EWI-Team zwei Szenarien analysiert: Das Szenario „Diversifizierung“ unterstellt eine größere Rolle Wasserstoffs bei der Substitution fossiler Energieträger, während das Szenario „Elektrifizierung“ von einer überwiegenden Elektrifizierung des Energieverbrauchs ausgeht. Die resultierenden Wasserstoffbilanzen ergeben zusammen mit Analysen zu Import- und Exportbedarfen Ostdeutschlands ein mögliches Bild des künftigen Transportbedarfs.
„Je nach Entwicklung der Wasserstoffnachfrage in den einzelnen Sektoren könnte es im Jahr 2045 ein jährliches Wasserstoffdefizit von bis zu 54 TWh in Ostdeutschland geben“, sagte Senior Research Associate Schlund. In beiden Szenarien konzentriere sich die Produktion von Wasserstoff auf die Küstenregionen, während die Nachfrage vor allem in Industriezentren und Ballungsgebieten anfalle. Um den steigenden Transitbedarf zu decken, müssten allerdings bis zum Jahr 2045 zahlreiche Leitungen von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden sowie neue Pipelines gebaut werden.