500 Euro und mehr pro Megawattstunde – so viel kostete Strom in Großhandel in einzelnen Stunden im vergangenen Jahr. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte traten Spitzenpreise auf; in KW 51 betrug der wöchentliche Mittelwert gar 293 EUR/MWh. Im Jahresmittel wurde für Strom an der Börse 97 EUR/MWh bezahlt, mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr.
Wie diese Rekordpreise zustande kamen, haben Wissenschaftler des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln in der Kurzanalyse „Strompreise im Jahr 2021 auf Rekordniveau“ untersucht. Die Analyse von Dr. Eren Çam, Fabian Arnold und Konstantin Gruber basiert unter anderem auf dem – nun frei verfügbaren – EWI Merit-Order Tool 2022, mit dem die Einsatzreihenfolge konventioneller Kraftwerke anhand ihrer Grenzkosten abgebildet werden kann.
„Im Jahr 2020 war die Nachfrage nach Strom, Erdgas und Steinkohle in Folge der sich weltweit ausbreitenden Corona-Pandemie eingebrochen“, sagt Dr. Eren Çam. „Deshalb war Strom 2020 deutlich günstiger als im Jahr 2019. Im Laufe des Jahres 2021 hat sich die Weltwirtschaft aber erholt, sodass die Brennstoffpreise sprunghaft angestiegen sind. Vor diesem Hintergrund und in Folge hoher CO2-Preise sind dann die Strompreise im vergangenen Jahr – insbesondere ab Juli – besonders stark gestiegen.“
Haupttreiber waren vor allem die Rekord-Preise für Gas, wofür im vergangenen Jahr zeitweise mehr als 150 EUR/MWh bezahlt wurde. Dazu beigetragen haben unterschiedliche Entwicklungen des globalen Gasmarktes:
Auch die Preise für Steinkohle stiegen im vergangenen Jahr deutlich. „Neben der wirtschaftlichen Erholung wurde die weltweite Steinkohle-Nachfrage durch die hohen Gaspreise gestützt“, sagt Fabian Arnold. „Ein Beispiel: In der Stromerzeugung ist Kohle eine Alternative zu Gas. Wenn Gas besonders teuer ist, springen Steinkohle-Kraftwerke ein, sodass die Nachfrage steigt und somit auch der Preis.“
Die weltweit hohe Nachfrage nach Steinkohle traf auf diverse Engpässe auf der Angebotsseite, verursacht etwa durch Starkregen in Indonesien, Überflutungen in China und schwere Stürme in Australien und den USA. Dazu kamen logistische Probleme durch technische Störungen an Bahnen und Verladehäfen. Auch Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verursachten Verzögerungen im Schiffsverkehr, was zu steigenden Transportkosten führte.
Auch die europäischen CO2-Preise trugen teilweise dazu bei, dass die deutschen Strompreise im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreichten. „Da Stein- und Braunkohlekraftwerke einen höheren CO2-Ausstoß haben als Gaskraftwerke, steigt mit einem Wechsel von Gas- auf Kohlestrom der Bedarf an CO2-Emissionszertifikaten“, sagt Dr. Çam. Die höhere Nachfrage in Verbindung mit der Verschärfung der europäischen Klimaziele und geringer Wind-Einspeisung führte zu Rekordpreisen von fast 90 EUR/t CO2.
Insgesamt erhöhen die gestiegenen Preise für Brennstoffe sowie CO2-Emissionszertifikate die Grenzkosten der Kraftwerke und beeinflussen damit die Einsatzreihenfolge am Strommarkt, die sogenannte Merit-Order. Die durchschnittlichen Grenzkosten der Gas- und Kohlekraftwerke lagen im Jahr 2021 auf einem deutlich höheren Niveau als in vergangenen Jahren. Da der Preisanstieg für Erdgas den Anstieg der CO2-Zertifikatspreise und Steinkohlepreise überkompensierte, profitierten in der Einsatzreihenfolge der konventionellen Kraftwerke vor allem Kohlekraftwerke.
Ob die Strompreise kurzfristig auf diesem hohen Niveau bleiben, hängt maßgeblich von den Entwicklungen des Gasmarktes ab. Langfristig dürften darüber hinaus die weitere Stilllegung von Kern- und Kohlekraftwerken die Merit-Order der konventionellen Kraftwerke verändern.