Der Expertenrat für Klimafragen hat heute seinen Prüfbericht zu den Emissionsdaten 2022 vorgelegt. In dem gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) jährlich erstellten Bericht prüft und bewertet der Expertenrat die vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen. Neben der Prüfung legt der Expertenrat vertiefend die Emissionsentwicklung einzelner Sektoren dar und nimmt eine Einordnung der Eckpunkte des Koalitionsausschusses vom 28. März zur Novelle des Klimaschutzgesetzes vor.
Der Expertenrat findet bis auf einen geringfügigen Korrekturbedarf bei den Emissionen des Verkehrssektors keinen Anhaltspunkt, dass das Umweltbundesamt bei der Berechnung der Vorjahresemissionen zu anderen Ergebnissen hätte kommen müssen. Für das Jahr 2022 hat das Umweltbundesamt in der Datengrundlage eine Umstellung auf eine stärker modellbasierte Methode vorgenommen, was vom Vorsitzenden Hans-Martin Henning positiv bewertet wird: „Das Vorgehen deckt sich nun weitgehend mit demjenigen der offiziellen Emissionsberichterstattung an die Vereinten Nationen. Dies begrüßen wir. Unverändert birgt der frühe Zeitpunkt der Berechnung der Vorjahresemissionen aber hohe Unsicherheiten, insbesondere auch in Verbindung mit den im Jahr 2022 stark veränderten Rahmenbedingungen in Folge des Krieges in der Ukraine.“
Im Jahr 2022 sind die Emissionen gegenüber 2021 von 760 auf 746 Mt CO2-Äq. um 1,9 % gesunken. Wie schon im Jahr zuvor lagen die berichteten Emissionswerte für den Verkehrs- und den Gebäudesektor auch im Jahr 2022 oberhalb der jahresscharf im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Zielwerte. Im Gebäudesektor wurde das Ziel bereits im dritten Jahr in Folge verfehlt. Laut § 8 Abs. 1 KSG müssen die zuständigen Ministerien nun innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen.
Die Zielverfehlung im Gebäudesektor wäre ohne verschiedene für die Emissionsentwicklung günstige Effekte – wie die milde Witterung und Einsparungen durch geändertes Heizverhalten – noch deutlich größer ausgefallen. Im Verkehrssektor ist zudem die notwendige Trendwende weiterhin nicht zu beobachten, die Emissionsentwicklung blieb auf gleichbleibend hohem Niveau.
Ohne das in Folge des Krieges in der Ukraine geringer als erwartet ausgefallene Wachstum der Wirtschaftsleistung hätten nach einer Überschlagsrechnung die Treibhausgasemissionen um rund 9 Mt CO2-Äq. höher gelegen. „Das Emissionsgeschehen im Jahr 2022 war stark von der Energiepreiskrise geprägt. Insbesondere ist die deutliche Zielunterschreitung im Industriesektor im Wesentlichen auf energiepreisbedingte Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie zurückzuführen und könnte daher von temporärer Natur sein“, ordnet Ratsmitglied Barbara Schlomann die Entwicklung ein und führt fort: „Zudem wäre letztes Jahr mit dem Wissen von heute und den aktualisierten Daten aus dem Inventarbericht ein Sofortprogramm auch für den Sektor Industrie notwendig gewesen.“
Die Energiewirtschaft hat zwar das Sektorziel im Jahr 2022 knapp unterschritten, gegenüber dem Vorjahr sind die THG-Emissionen allerdings um ca. 11 Mt CO2-Äq. gestiegen. „Es zeigt sich, dass es bei allen Sektoren knapp wird mit der Zielerreichung. Das bedeutet übrigens auch, dass nur wenig Spielraum besteht, zwischen den Sektoren so auszugleichen, dass das Gesamtziel in Zukunft erreicht wird“, führt Barbara Schlomann aus.
Vor dem Hintergrund der Herausforderung der Zielerreichung in allen genannten Sektoren ordnet der Expertenrat auch die Eckpunkte aus dem Beschlusspapier des Koalitionsausschusses zur Novelle des Klimaschutzgesetzes ein. Während einige der geplanten Änderungen das Erreichen der Klimaschutzziele aus dem Klimaschutzgesetz erkennbar und nachhaltig unterstützen können und teilweise auch Vorschläge des Expertenrats aufnehmen, bergen andere die Gefahr einer Abschwächung der Gesetzeswirkung.
„Entscheidend ist, dass die derzeit im Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsmenge kumuliert über das Jahrzehnt nicht überschritten werden darf. Dieser Budgetansatz ist ein zentraler Grundgedanke des Gesetzes“, betont die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. „Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen“, führt Brigitte Knopf aus und ergänzt: „Dies ist insbesondere kritisch vor dem Hintergrund unserer schon im Zweijahresgutachten festgestellten enormen Herausforderungen für die Erreichung der Ziele für die kommenden Jahre bis 2030.“
Eine abschließende Beurteilung der Überlegungen des Koalitionsausschusses ist allerdings aufgrund noch vieler offener Fragen zur Ausgestaltung nur auf Basis der konkreten Ausformulierungen des Gesetzestextes möglich. Der Expertenrat gibt hierzu im Bericht empfehlende Hinweise. Der Prüfbericht und das Technische Begleitdokument sind hier abrufbar: https://expertenrat-klima.de/publikationen/.
Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 berufen und ist beauftragt durch § 11 und § 12 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Das Gremium besteht aus den fünf Mitgliedern Prof. Dr. Hans-Martin Henning (Vorsitzender), Dr. Brigitte Knopf (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Prof. Dr. Thomas Heimer und Dr. Barbara Schlomann. Neben anderen gesetzlich festgelegten Aufgaben prüft der Expertenrat für Klimafragen gemäß § 12 Abs. 1 KSG die Emissionsdaten des Umweltbundesamts und legt der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag innerhalb von einem Monat eine Bewertung der veröffentlichten Daten vor. Weitere Informationen unter https://expertenrat-klima.de.