Im Rahmen der Webinar-Reihe EWI-Insights haben Martin Lange und Stephan Terhorst, Research Associates am Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI), die Ergebnisse zweier aktueller Studien vorgestellt, die sich mit der Rolle der Flexibilität im Strommarkt befassen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Philip Schnaars, Head of Research Area am EWI.
Dabei wurden zum einen die Auswirkungen eines potenziellen Gebotszonensplits in Deutschland und zum anderen die Folgen einer steigenden Preisvolatilität auf die Rentabilität von Flexibilitätsoptionen betrachtet. Im ersten Vortrag ging es insbesondere um praktische Hemmnisse bei der Umsetzung einer Teilung der Gebotszone in Deutschland, welche Effizienzvorteile stark einschränken könnten. Zentrales Ergebnis der zweiten vorgestellten Studie ist, dass sich die Volatilität der Strompreise in Zukunft deutlich erhöhen könnte, was sich positiv auf die Attraktivität von Flexibilitäten auswirken dürfte.
Im ersten Teil des Webinars stellte EWI-Researcher Martin Lange die Ergebnisse einer aktuellen Analyse zu den ökonomischen Auswirkungen eines potenziellen Gebotszonensplits in Deutschland vor. Der Policy Brief mit dem Titel „Gebotszonensplit in Deutschland – Worum geht’s?“ wurde von ihm, Merit Dressler und Dr. Philip Schnaars erstellt und geht insbesondere auf die statischen und dynamischen Effekte einer Teilung in Theorie und Praxis ein. Hintergrund des Vorschlags die deutsch-luxemburgische Gebotszone in eine Südwest- und eine Nordost-Zone zu teilen sind Netzengpässe, welche durch den vermehrten lastfernen Ausbau von Windkraft in Norddeutschland entstehen. Eine Teilung der Gebotszone könnte Preissignale regional differenzieren und somit systemdienlichere Investitionen anreizen. Die Analyse zeigt, dass ein Split kurzfristig die Redispatch-Kosten reduzieren könnte. Es ergäben sich höhere Strompreise im Süden sowie niedrigere im Norden – damit ließen sich Investitionen in Erzeugung und Flexibilität gezielter lenken.
Allerdings weist die Analyse auch auf Herausforderungen hin: Der vorgeschlagene Split stellt eine nicht zielgenaue Designanpassung dar, wobei weiterhin ein Redispatchbedarf verbliebe und innerhalb der Zonen keine Anreize für eine systemdienlichen Verortung beständen. Zudem ginge ein Split mit signifikanten Investitionsunsicherheiten einher, einer tendenziell steigenden Marktkonzentration und hohen Übergangskosten. Inwiefern die preislichen Anreize ausreichen, um Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungen von Erzeugern und Flexibilitäten zu haben, hängt neben der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien sowie weiteren Endkundenpreiskomponenten auch von zusätzlichen Standortfaktoren ab. „In der Folge der praktischen Einschränkungen und Hemmnisse könnten die Nachteile eines Splits die Effizienzvorteile langfristig überwiegen“, sagte Lange.
Im zweiten Teil der Veranstaltung präsentierte Stephan Terhorst die Analyse zur zukünftigen Preisvolatilität am Strommarkt die er mit Erik Schrader, Arne Lilienkamp, Dr. Fabian Arnold und Dr. Philip Schnaars erarbeitet hat. Terhorst betonte dabei, dass die steigende Volatilität insbesondere für Neuinvestitionen in Flexibilitätstechnologien von Bedeutung sei. Durch den zunehmenden Anteil volatiler erneuerbarer Energien und den Rückgang steuerbarer Kraftwerke zeige die Modellierung für das Jahr 2035 eine signifikante Zunahme der Preisfluktuationen im Day-Ahead- und Intraday-Markt.
Flexibilitätsoptionen wie Batteriespeicher, steuerbare Lasten und Elektrolyseure können von höheren Preisfluktuationen profitieren, da sie in Zeiten niedriger Preise Energie speichern und in Hochpreisphasen gewinnbringend einspeisen können. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Extrempreise zu, sodass sowohl negative Preise durch hohe Einspeisung erneuerbarer Energien als auch hohe Spitzenpreise bei Engpasssituationen häufiger auftreten. Die höhere Volatilität macht Investitionen in steuerbare Kraftwerke und Speicher attraktiver, allerdings sinkt gleichzeitig das allgemeine Preisniveau, was die Rentabilität von Erzeugern und Flexibilitäten beeinflusst.
Neben dem Ausbau erneuerbarer Energieträger beeinflussen auch andere Faktoren des Marktdesigns die Volatilität. Ein reduzierter Ausbau steuerbarer Kraftwerke würde die Preisvolatilität verstärken, während eine geringere Nachfrage ebenfalls dazu beiträgt. Ein geringerer PV-Ausbau hingegen dämpft die Schwankungen und stabilisiert den Markt. Modellrechnungen für das Jahr 2035 zeigen, dass sich mit zunehmender Volatilität die Arbitragepotenziale für flexible Technologien erhöhen. Dennoch variiert der Einfluss der Volatilität je nach betrachteter Technologie und Marktstruktur. Während Batteriespeicher von kurzfristigen Preisschwankungen profitieren können, sind langfristige Investitionsentscheidungen durch die Unsicherheit der künftigen Preisentwicklung erschwert.
Die beiden Studien verdeutlichen, dass Strommarktdesign und Volatilität einen wesentlichen Einfluss auf den Zubau von Flexibilitäten haben. Während ein Gebotszonensplit langfristig Investitionsanreize lenken könnte, kann eine steigende Preisvolatilität langfristig zu neuen Geschäftsmodellen im Flexibilitätsbereich führen.
Die Online-Workshop-Reihe EWI-Insights findet seit dem Jahr 2020 etwa viermal jährlich statt und richtet sich an Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die an wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Energiewelt interessiert sind. Forschende des EWI bieten Einblicke in aktuelle Studien und Analysen des Instituts. Informationen über aktuelle Veranstaltungen des EWI finden sich hier.