Grüner Wasserstoff: Geoökonomische Voraussetzungen der EU

Grüner Wasserstoff: Geoökonomische Voraussetzungen der EU
18. Dezember 2024 |

Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft verändert Importabhängigkeiten und Wertschöpfungspotenziale europäischer Unternehmen. Das EWI untersucht die aktuelle und mögliche künftige geoökonomische Situation der EU.

Durch den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft können neue Abhängigkeiten bei Importen und damit einhergehende Versorgungsrisiken entstehen. Gleichzeitig könnte diese Verschiebung weg von fossilen Brennstoffen zu neuen Wertschöpfungspotenzialen in der EU führen. Grüner Wasserstoff sowie notwendige Vorprodukte wie erneuerbar erzeugter Strom und beispielsweise Windenergieanlagen können grundsätzlich weltweit produziert werden können.

In der Analyse „Geoeconomics of Green Hydrogen: Assessing the EU’s current position in resilience and export potential“ betrachtet ein Team des EWI die aktuellen Importabhängigkeiten sowie das Exportpotenzial europäischer Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette – von Wasserstoff über Stromerzeugungsanlagen bis zu Rohmaterialien für die Anlagenfertigung anhand einer Datenrecherche sowie vier Indikatoren. Dies bietet eine Orientierung für die in der Analyse vorgestellten Politikmaßnahmen zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit in einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Die Analyse wurde durch die Förderinitiative Wasserstoff der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V. gefördert.

Importabhängigkeiten entlang der Wertschöpfungskette

In einem etablierten und umfassenden Wasserstoffmarkt müsste die EU einen wesentlichen Anteil des Verbrauchs importieren. Hier wäre die Diversifizierung der Herkunftsländer ein Ansatz, um Versorgungsrisiken zu adressieren. Parallel dazu könnte die heimische Produktion von grünem Wasserstoff aufgebaut werden. Hier ergeben sich aktuell unterschiedliche Importabhängigkeiten. Bei Elektrolyseuren ist der Weltmarkt noch klein und Selbstversorgung möglich, in einem wachsenden Markt dürfte der Anteil von Importen deutlich ansteigen. Ähnlich ist es bei Windenergieanlagen, die zur Produktion von grünem Wasserstoff benötigt werden. Bei ihnen ist der aktuelle Importanteil gering. Die Möglichkeit zur Diversifizierung von Importen hängt wesentlich von der weltweiten Nachfrage ab.

Relevante Importabhängigkeiten bestehen auch bei Modulen zur Stromerzeugung aus Sonnenenergie. Die geringen Produktionskapazitäten in der EU lassen sich auf hohe relative Produktionskosten zurückführen. In der Analyse wird die Möglichkeit zur Diversifizierung in der nahen Zukunft als gering eingeschätzt. Bei Rohmaterialien für die Herstellung von Elektrolyseuren, Windturbinen und PV-Modulen bestehen starke Abhängigkeiten von Importen, auch weil die einzelnen betrachteten Materialien als komplementär zueinander gelten. Hier kann eine Diversifizierung kaum gelingen, da die weltweiten Rohstoffvorkommen häufig lokal konzentriert sind. „Der Übergang zu einer grünen Wasserstoffwirtschaft dürfte zu neuen Importabhängigkeiten für die EU führen“, sagt Dr. Philip Schnaars, Mitautor der Analyse. „Die Möglichkeit zur Diversifizierung zukünftiger Importe ist insbesondere bei Elektrolyseuren und grünem Wasserstoff gegeben. Die Kosten hierfür sind derzeit allerdings noch unklar.“

Grüne Wasserstoffwirtschaft: Chance oder Risiko für Europa?

Das Exportpotenzial europäischer Unternehmen und damit die Chance, neue Möglichkeiten der Wertschöpfung in der EU zu schaffen, hängt auf einem Weltmarkt wesentlich von den relativen Produktionskosten ab. Auf allen betrachteten Stufen der Wertschöpfungsketten weisen europäische Unternehmen anhand der genutzten Indikatoren Nachteile auf. Auch dürfte die Nachfrage in einem erfolgreichen Wasserstoffmarkthochlauf die aktuellen Produktionskapazitäten in der EU übersteigen. „Hohe Produktionskosten und eine hohe heimische Nachfrage könnten das Exportpotenzial europäischer Unternehmen entlang der vorgelagerten Wertschöpfungskette in einem grünen Wasserstoffmarkt begrenzen“, so Schnaars. Qualitätsunterschiede zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller könnten weitergehende Nischen für europäische Hersteller erhalten oder schaffen.

Die EU hat eine Vielzahl von Politikinstrumenten implementiert, um Importabhängigkeiten zu reduzieren und zu diversifizieren. Gleichzeitig soll die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gestärkt werden. Wesentliche Bestandteile sind die Etablierung von Handelspartnerschaften, insbesondere bei Wasserstoff und Rohmaterialien. Darüber hinaus werden Subventionen für die Etablierung und Ausweitung von Produktionskapazitäten bereitgestellt.

Ausgewählte Publikationen & Projekte