In der ersten Julihälfte 2021 wurden an der Strombörse zeitweise mehr als 90 Euro pro Megawattstunde bezahlt – so viel wie seit 2008 nicht mehr. Damit haben sich die Preise seit Anfang des Jahres etwa verdoppelt. Maßgebliche Faktoren sind die Brennstoffkosten für Steinkohle und Gas sowie die Preise für Emissionszertifikate.
In der Kurzanalyse „Anstieg der Strompreise im Sommer 2021“ hat ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln untersucht, welche Faktoren zum Anstieg des Großhandelsstrompreises im Jahr 2021 geführt haben. Die Analyse von Eren Çam, Fabian Arnold und Konstantin Gruber basiert unter anderem auf dem EWI Merit-Order Tool 2021, mit dem sich der Einsatzreihenfolge konventioneller Kraftwerke basierend auf ihren Grenzkosten angenähert werden kann.
Im Jahr 2020 hatten die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie in Deutschland und der Welt die Großhandelsstrompreise stark unter Druck gesetzt, insbesondere in der ersten Jahreshälfte. Mit 30 EUR/MWh lag der mittlere Großhandelsstrompreis mehr als 7 EUR/MWh niedriger als im Vorjahr. In diesem Jahr sind die Preise jedoch deutlich gestiegen – insbesondere im Juni/Juli gab es noch einmal einen kräftigen Preissprung auf zeitweise mehr als 90 EUR/MWh. Die Entwicklung hat diverse Gründe.
Die Stromerzeugung hat sich nach ihrem weltweiten Einbruch im Frühjahr des vergangenen Jahres mittlerweile erholt. Dadurch steigt auch die Nachfrage nach Steinkohle, insbesondere in China – was wiederum die Preise für den Brennstoff treibt. Produktionsausfälle haben die Preise für Steinkohle in Europa zusätzlich auf hohem Niveau gehalten: Im Juli 2021 erreichte der Preis für Steinkohle (ARA) mit 15 EUR/MWh ein Niveau wie zuletzt im Jahr 2011.
Auch die Preise für Erdgas (TTF) sind im Juli 2021 mit mehr als 36 EUR/MWh so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Das habe mehrere Gründe, sagt Eren Çam, Senior Research Consultant am EWI: “Die Gasspeicher in Europa sind aufgrund des kalten Winters kaum gefüllt. Gleichzeitig ist die Nachfrage wieder gestiegen, insbesondere in China und anderen Teilen Asiens. Darüber hinaus haben Ausfälle und Wartungsarbeiten an der Infrastruktur die Situation verschärft.”
Zusätzlich zu den gestiegenen Brennstoffkosten haben auch die Preise für CO₂-Emissionszertifikate zugelegt. Die Preise im europäischen Emissionshandel (EU ETS) kletterten seit Anfang des Jahres von 33 EUR/t CO₂ auf einen neuen Höchststand von mehr als 57 EUR/t CO₂. Hier dürften auch die Verschärfung der europäischen Klimaziele und die stark gestiegenen Gaspreise eine Rolle spielen. Denn höhere Gaspreise erhöhen die Nachfrage nach Kohle, beispielsweise in der Stromerzeugung, und damit die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten.
Die gestiegenen Preise für Brennstoffe und CO₂-Emissionszertifikate erhöhen die Grenzkosten der Kraftwerke und beeinflussen damit die Einsatzreihenfolge am Strommarkt, die sogenannte Merit-Order. Die durchschnittlichen Grenzkosten der Gas- und Kohlekraftwerke liegen im Juli 2021 auf einem deutlich höheren Niveau als in den vergangenen zwei Jahren. In der Einsatzreihenfolge der konventionellen Kraftwerke profitieren die meisten Braunkohlekraftwerke trotz hoher CO₂-Zertifikatspreise vom Anstieg der Gaspreise und befinden sich mit niedrigeren Grenzkosten wieder vor den Gaskraftwerken.
Ob die Strompreise in den kommenden Monaten auf diesem hohen Niveau bleiben, hängt maßgeblich von den Entwicklungen an den Brennstoffmärkten und im europäischen Emissionshandel ab. In den kommenden Jahren dürften darüber hinaus die Stilllegung von Kern- und Kohlekraftwerken sowie der Neubau von Gaskraftwerken die Merit-Order der konventionellen Kraftwerke verändern. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die Entwicklung der Stromnachfrage sind weitere Einflussfaktoren für die zukünftige Entwicklung der Strompreise.