Wärmewende: Trotz GEG zu wenig Dynamik bei Heizungsaustausch?

Wärmewende: Trotz GEG zu wenig Dynamik bei Heizungsaustausch?
11. Dezember 2024 |

Im Jahr 2045 soll die Netto-Treibhausgasneutralität nach den Zielen der Bundesregierung erreicht sein. Dafür könnten im Gebäudesektor signifikante Mengen biogener oder synthetischer Brennstoffe benötigt werden, zeigt eine neue Analyse des EWI.

Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland entsprechend den Zielen der Bundesregierung netto-treibhausgasneutral sein. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) macht in diesem Rahmen Vorgaben für den Betrieb neu installierter Heizungssysteme. In einer aktuellen EWI-Analyse wurden unter Berücksichtigung dieser GEG-Vorgaben sowie aktueller Sanierungs- und Heizungsaustauschraten Szenarien zur Entwicklung des Gebäude- und Heizungsbestands berechnet. Diese Szenarien zeigen: Bis Ende des Jahres 2044 könnten Öl- und Gasheizungen, die vor 2024 eingebaut wurden, noch ca. 20 Prozent des Heizungsbestands in Deutschland ausmachen. Dies entspräche mehr als 5 Millionen Heizungen. Um die Netto-Treibhausgasneutralität zum Jahr 2045 wie geplant zu erreichen, müssten diese Heizungen dann mit klimaneutralen, biogenen oder synthetischen Brennstoffen betrieben werden. Alternativ könnten die Heizungen früher ausgetauscht werden, als es in der Vergangenheit der Fall war. Dafür könnten politische Maßnahmen erforderlich sein, die über das GEG hinausgehen.

In der Analyse „Illustrative Entwicklungspfade des Gebäude- und Heizungsbestands – Szenariobasierte Analyse bis 2044“ hat ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) die Entwicklung des Gebäude- und Heizungsbestandes im Wohngebäudesektor bis zum Ende des Jahres 2044 untersucht. Die Analyse gibt einen Überblick über den aktuellen Gebäude- und Heizungsbestand und ordnet die seit dem Jahr 2023 beobachtete kurzfristige Entwicklung des Bestands ein. Darauf aufbauend wird in der Analyse die potenzielle, langfristige Entwicklung des Gebäude- und Heizungsbestands auf Basis von gewählten Szenarien und aktueller Sanierungs- und Heizungsaustauschraten illustriert. Bei der Berechnung wurden die Vorgaben des GEG berücksichtigt, nachdem neu aufgestellte Heizungen ab dem Jahr 2024 mit mindestens 65% erneuerbarer Wärme betrieben werden müssen. Im GEG spezifizierte Ausnahmen dieser Regel wurden ebenfalls berücksichtigt. Die Szenarien orientieren sich außerdem an den Zielen der Bundesregierung zu Wärmenetzanschlüssen und zum Wärmepumpenabsatz. Die Analyse wurde gefördert durch die „Förderinitiative Wärmewende“ der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V.

„Frühzeitiger Bedarf an biogenem und synthetischem Heizöl und Methan zu erwarten“

Im Jahr 2023 war der Heizungsmarkt von Sonder- und Vorzieheffekten geprägt. Laut dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie führte zunächst die Angst vor einer Gasmangellage zu einem Rekordabsatz bei Wärmepumpen. In der zweiten Jahreshälfte sorgte die Debatte um das GEG für einen Anstieg der Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen. Diese Effekte werden in der Analyse der kurzfristigen Entwicklung des Heizungsbestands quantifiziert. Die Größenordnung der Effekte lässt sich aus den Ab-weichungen zwischen den Modellergebnissen und den realen Entwicklungen im Heizungsabsatzmarkt 2023 abschätzen: Im Jahr 2023 wurden aufgrund von Sonder- und Vorzieheffekten in der Realität 465.000 mehr Heizungen abgesetzt als basierend auf dem Modell zu erwarten gewesen wäre.

Ab dem 1. Januar 2024 und vor Inkrafttreten der kommunalen Wärmeplanung müssen neue Gas- und Ölheizungen bereits ab dem Jahr 2029 definierte Anteile erneuerbarer Energien gemäß § 71 Absatz 9 GEG aufweisen. Im Jahr 2024 werden voraussichtlich gut 450.000 Öl- und Gasheizungen installiert, die unter diese Vorgaben fallen. „Durch die neuen Vorgaben im GEG zur Nutzung erneuerbarer Energien für Heizungen, die ab 2024 eingebaut werden, ist ein frühzeitiger Bedarf an biogenem und synthetischem Heizöl und Methan zu erwarten“, sagt Maximilian Walde, Research Associate am EWI, der die Analyse gemeinsam mit Tobias Sprenger, Antonie Reinecke, Tobias Leibfritz und Dr. Fabian Arnold erstellt hat.

Im Jahr 2044 könnten noch ca. 30 Prozent des Bestands Öl- und Gasheizungen sein

Bei vollständiger Zielerreichung der Wärmepumpenabsatzzahlen würden diese im Jahr 2044 rund die Hälfte des Heizungsbestands ausmachen. Dies entspräche mehr als 10 Millionen Wärmepumpen. Bei im Vergleich zur Vergangenheit gleichbleibenden Austauschraten bestehender Heizungen würde der Heizungsbestand in allen Szenarien im Jahr 2044 einen Anteil von ca. 30 Prozent an Öl- und Gasheizungen aufweisen, die nicht komplett mit Wasserstoff betrieben werden können. Dies entspräche gut 6 Millionen Heizungen. Öl- und Gasheizungen, die bereits im Jahr 2023 oder früher eingebaut wurden, würden im Jahr 2044 noch gut 20 Prozent des Heizungsbestands bzw. knapp 5 Millionen Heizungen ausmachen. Im Jahr 2044 ergäbe sich in den betrachteten Szenarien ein Endenergiebedarf von 22-28 TWh für Heizöl und 90-105 TWh für Methan.

Zur Erreichung der Treibhausgasneutralität ab dem Jahr 2045 müssten die verbliebenen Öl- und Gasheizungen mit biogenen oder synthetischen Brennstoffen betrieben werden. Zudem ist erwartbar, dass weitere Öl- und Gasheizungen unter den Vorgaben des GEG eingebaut werden, wie sich durch die gut 450.000 installierten Öl- und Gasheizungen im Jahr 2024 zeigt. „Um den Bedarf an biogenem und synthetischem Methan und Heizöl zu reduzieren, müssten sich die Austauschzyklen von Öl- und Gasheizungen verkürzen. Mögliche Treiber dafür könnten u.a. höhere Brennstoff- und Emissionskosten, die Stilllegung von Gasverteilnetzen und weitere politische Maßnahmen sein“, sagt Maximilian Walde.