Die Europäische Kommission arbeitet an einer Definition, was genau als „grüner“ Wasserstoff gelten soll. Eines der Kriterien soll voraussichtlich sein, dass der Wasserstoff mit Hilfe von (zusätzlichem) grünen Strom produziert wird. Außerdem soll die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zeitlich und bilanziell ungefähr mit dem Stromverbrauch des Elektrolyseurs übereinstimmen, was auch Gleichzeitigkeitsregel genannt wird.
Wird diese Gleichzeitigkeitsregel von der EU eher streng ausgelegt, sinken zwar die indirekten Emissionen im Stromsektor, dafür könnten Elektrolyseure deutlich weniger wirtschaftlich sein und auch weniger produzieren. Zu diesem Ergebnis kommt der Policy Brief „Die Gleichzeitigkeitsregel für erneuerbare Strom- und Wasserstoffproduktion – Eine Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Elektrolyseuren“ des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln, gefördert durch die Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V., der auf dem kürzlich veröffentlichten Working Paper „Simultaneity of green energy and hydrogen production: Analysing the dispatch of a grid-connected electrolyser“ basiert.
Die Europäische Kommission plant über einen delegierten Rechtsakt als Teil der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) zu entscheiden. Darin geht es unter anderem um die Kriterien für grünen Wasserstoff. „Die Politik steht dabei vor einem Dilemma“, sagt Senior Research Associate Philipp Theile, der den Policy Brief gemeinsam mit David Schlund verfasst hat. „Legt sie die Kriterien eher streng aus (hohe Gleichzeitigkeit erforderlich), werden indirekte Emissionen im Stromsektor vermieden, weil ausschließlich EE-Strom zum Einsatz kommt. Legt sie die Kriterien weniger streng aus (weniger hohe Gleichzeitigkeit erforderlich), könnte der Bau von Elektrolyseuren attraktiver werden, da ihr Betrieb wirtschaftlicher wird. So könnte der Wasserstoffmarkthochlauf besser unterstützt und langfristig mehr Emissionen vermieden werden.“
Das EWI-Team vergleicht im Policy Brief den Elektrolyseurbetrieb ohne und mit (unterschiedlicher) Gleichzeitigkeit. Eine Gleichzeitigkeit eines Jahres bedeutet etwa, dass die Wasserstoffproduktion über das gesamte Jahr gesehen zeitlich und bilanziell mit der Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom übereinstimmen muss. Bereits eine solche Regel würde die Wasserstoffproduktion eines Elektrolyseurs um mehr als 20 Prozent reduzieren, da die Volllaststunden der EE-Anlage die Obergrenze der Wasserstoffproduktion definieren. Die Effekte auf den Gewinn des Elektrolyseurs sind in diesem Fall sehr gering. Fällt die Gleichzeitigkeitsregel aber strenger aus (zum Beispiel stündlicher Bilanzierungszeitraum), sinken sowohl Volllaststunden der Wasserstoffproduktion als auch deren Deckungsbeitrag.
Mit Blick auf die Emissionen zeigt sich, dass die Gleichzeitigkeitsregel ihr Ziel erfüllt und indirekte Emissionen im Stromsektor vermeidet. Sie können bei stündlicher Gleichzeitigkeit um bis zu 80 Prozent unter dem Referenzfall liegen. „Die CO2-Emissionsintensität hängt neben der bilanziellen Verwendung von Graustrom aus dem Netz außerdem wesentlich vom Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung ab“, sagt Senior Research Associate David Schlund. „Eine Gleichzeitigkeitsregel sollte ohnehin nur zeitlich befristet notwendig sein, da langfristig der Strom überwiegend aus erneuerbaren Quellen stammt.“ Zudem beeinflussen Wechselwirkungen mit dem europäische Emissionshandel (EU ETS) die tatsächlichen Emissionen. Neben der Gleichzeitigkeit zwischen EE-Strom- und Wasserstoffproduktion ist zudem der Ausbau zusätzlicher EE-Kapazitäten von zentraler Bedeutung, um den benötigten zusätzlichen Strom zur Wasserstoffproduktion bereitzustellen.