Geopolitische Risiken stellen eine Gefahr für eine sichere Versorgung mit Wasserstoff in Deutschland dar. Dabei sind Investitionsrisiken in den potenziellen Export-Ländern eine zentrale Herausforderung für Unternehmen und verteuern bzw. verlangsamen den Aufbau von Wasserstofflieferketten.
Globale Lieferketten sind mit einer Vielzahl von geopolitischen Risiken konfrontiert. Diese Risiken hängen mit möglichen politischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen eines Export- und Transitlandes sowie den bilateralen Beziehungen zwischen den Handelspartnern zusammen. Mit weltweit steigender Relevanz von Wasserstoff steigt außerdem das Risiko, dass Wasserstofflieferungen als politisches Druckmittel genutzt werden könnten. In der Studie „H2-Geopolitik: Geopolitische Risiken im globalen Wasserstoffhandel“ hat das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität zu Köln anhand von beispielhaften Ländern Importrisiken analysiert. Die Analyse entstand im Rahmen des Forschungsprogramms Wasserstoff und wurde von der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e. V. gefördert.
In der Studie wurden vier geopolitische Risikodimensionen der Wasserstoffversorgungskette diskutiert: politische, ökonomische und soziale Faktoren sowie bilaterale Beziehungen. „Politik, Unternehmen und Investoren sollten geopolitische Risiken in ihren Entscheidungen zum Aufbau von Wasserstofflieferketten berücksichtigen“, sagt Senior Research Consultant Tobias Sprenger, der die Studie gemeinsam mit Patricia Wild und Lena Pickert verfasst hat.
Politische Faktoren in Produktions- oder Transitländern können die Stabilität eines Landes bzw. einer Region und damit auch die Zuverlässigkeit von Wasserstofflieferungen beeinflussen. Politische Instabilität sowie Konflikte und Kriege sind somit ein Risiko für die Importsicherheit. Ökonomische Faktoren wie wirtschaftliche Freiheit, Korruption oder Wechselkursschwankungen beeinflussen das Risiko von Wasserstoffherkunftsländern. Denn die wirtschaftliche Situation in einem Land hat Auswirkungen auf die politische und soziale Stabilität und die Entwicklung des Wasserstoffmarktes.
Soziale Faktoren sind eng mit den anderen Faktoren verknüpft und können aus ökonomischen Faktoren resultieren und politische Risiken bedingen. Beispielsweise können soziale Ungleichheit und Spannungen sowie Konflikte über Ressourcen, wie z. B. Strom, Wasser oder fruchtbaren Boden, zu Instabilität führen und ein Risiko für einen stabilen und zuverlässigen Wasserstoffmarkt darstellen. Auch die bilateralen Beziehungen zwischen den involvierten Akteuren spielen eine zentrale Rolle für die Versorgungssicherheit. Enge wirtschaftliche, diplomatische und kulturelle Beziehungen können das Risiko der Unterbrechung oder Beschränkung von Wertschöpfungsketten verringern.
In der Studie wurden die vier potenziellen Wasserstoff-Lieferländer Spanien, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Chile untersucht. Spanien zeichnet sich aufgrund der geographischen Nähe und des gemeinsamen EU-Binnenmarktes durch ein sehr niedriges geopolitisches Risiko aus. Algerien verfügt zwar über große Exportpotenziale, steht aber vor einigen innerstaatlichen und geopolitischen Herausforderungen, die den Export von Wasserstoff beeinflussen könnten. Das Risikoprofil der VAE ist durch gute wirtschaftliche und politische Stabilität gekennzeichnet, weist jedoch auf Grund der schwelenden Konflikte in der Region Risiken auf. Chile bietet Unternehmen und Investoren starke wirtschaftliche Freiheiten, die Investitionen in Wasserstoffprojekte attraktiv machen, weist allerdings seit den vergangenen Jahren einige Unsicherheiten im politisch-wirtschaftlichen System auf.
„Geopolitische Risiken ergeben sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher politischer, ökonomischer, sozialer und bilateraler Faktoren in den Export- und Transitländern“, so Sprenger. Die betrachteten potenziellen Wasserstoffexporteure Spanien, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Chile haben unterschiedliche Chancen und Risiken.