Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stockt aktuell – vor allem bei Wind Onshore. Der schleppende Ausbau könnte dazu führen, dass Deutschland das sektorale Klimaziel der Energiewirtschaft im Jahr 2030 verfehlt. Denn fehlender Windstrom würde überwiegend durch den Einsatz von Gaskraftwerken sowie durch Stromimporte kompensiert werden. Gleichzeitig wird bereits über die Hälfte des verfügbaren Emissionsbudgets in 2030 durch Kohlekraftwerke aufgebraucht. Das geht aus der Studie „Not in my Backyard – Auswirkungen einer Verfehlung des Ausbauziels für Erneuerbare Energien im Kohleausstiegszenario“ des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln im Auftrag der Fördergesellschaft des EWI hervor.
In der Studie werden zwei Szenarien gegenübergestellt. Im „WSBK-Szenario“ (Kohleausstiegsszenario entsprechend WSBK) wird das Ausbauziel der Bundesregierung für Erneuerbare Energien erreicht. Im Jahr 2030 werden 65 Prozent der Stromnachfrage durch Erneuerbare gedeckt. Das Szenario basiert auf der EWI-Studie „Auswirkungen einer Beendigung der Kohleverstromung bis 2038 auf den Strommarkt, CO2-Emissionen und ausgewählte Industrien“, in der für Windkraftanlagen an Land ein Zubau auf 94 GW angenommen wurde. Dies entspricht einem jährlichen Nettozubau von mehr als 1,5 GW pro Jahr bis 2030 und einem Gesamtzuwachs von 41 GW gegenüber 2019.
Der tatsächliche Windkraft-Ausbau in Deutschland hinkt jedoch deutlich hinterher. Deshalb basiert das so genannte „NIMBY-Szenario“ (NIMBY = not in my backyard, geringerer Ausbaupfad bei Onshore Windenergie, da der Ausbau aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen stockt) auf einer Zubaurate von nur 0,6 GW pro Jahr. Im Jahr 2019 stieg die Erzeugungskapazität lediglich um 1 GW. Darüber hinaus fallen bis zum Jahr 2030 Windenergieanlagen mit einer Leistung von etwa 27 GW aus der EEG-Förderung.
Durch den geringeren Ausbau von Wind Onshore werden im NIMBY-Szenario im Jahr 2030 etwa 63 TWh weniger Windstrom als im WSBK-Szenario erzeugt. „Der fehlende Windstrom müsste dann durch Gaskraftwerke, aber auch durch Importe kompensiert werden“, sagt Max Gierkink, Manager am EWI. „Zudem laufen die noch verbleibenden Kohlekraftwerke bis zum Kohleausstieg mit höheren Volllaststunden, sodass mehr Treibhausgase freigesetzt werden.“
Je mehr Strom aus konventionellen Energieträgern kommt, desto stärker steigen die Treibhausgas-Emissionen. Das sektorale Emissionsbudget von 175 Mio. t. CO2-Äquivalenten würde im Jahr 2030 um ca. 30 Mio. t. überschritten und das Klimaziel somit verfehlt.
Wenn Windenergie durch Gasverstromung und Stromimporte ersetzt wird, dann steigen auch die Großhandelsstrompreise im Jahr 2030. Im NIMBY-Szenario liegen sie bei etwa 66 EUR/MWh – und damit rund 8 EUR/MWh höher als im Fall der höheren Winderzeugung im WSBK-Szenario.
Anders sieht es bei der EEG-Umlage aus, diese sinkt in beiden Szenarien. Grund dafür sind die steigenden Großhandelsstrompreise und die damit höheren Erlöse am Strommarkt. Die Reduktion fällt in dem Szenario mit schleppendem Ausbau der Windenergie sogar stärker aus, da hier die Preise höher liegen und gleichzeitig weniger Anlagen finanziert werden müssen. „Langfristig sinkt die Belastung der VerbraucherInnen durch die EEG-Umlage. Kurzfristig liegen unsere Berechnungen allerdings ohnehin oberhalb der Deckelung der EEG-Umlage im Rahmen des jüngst beschlossenen Corona-Konjunkturpakets – unabhängig vom Ausbau der Windkraft“, sagt Berit Hanna Czock, Research Associate am EWI.