Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen auf 140 Millionen Tonnen pro Jahr sinken, so steht es im Bundes-Klimaschutzgesetz. Die Herausforderungen für die Dekarbonisierung der Industrie sind aber noch größer als in anderen Sektoren. Verglichen mit Stromerzeugung, Gebäudeenergie oder Verkehrssektor sind Industrieprozesse sehr heterogen. Klimaneutrale Technologien stehen zum Teil noch am Anfang ihrer Entwicklung oder sind mit hohen Kosten verbunden, etwa in der Elektrifizierung von Hochtemperaturprozessen. Prozess-Emissionen lassen sich zudem nicht mit einer Umstellung auf Erneuerbare Energien mindern.
Außerdem steigt die Produktion in der Industrie in Deutschland seit Jahren, wodurch beispielsweise eine bessere Energieeffizienz in der Energiebilanz verdrängt wird. Hinzu kommt: Die Industrie in Deutschland und Europa steht im internationalen Wettbewerb. Kosten für die Minderung von Emissionen können deshalb nur bedingt an Endkunden weitergegeben werden.
Es gibt die Befürchtung, dass Produktionsstätten ins Ausland verlagert werden könnten und somit Investitionen in Deutschland ausblieben, wenn die Kosten für die Dekarbonisierung in Deutschland deutlich höher wären als in anderen Ländern. Gleichzeitig könnte der Nutzen für das Klima begrenzt sein, weil Emissionen nur verlagert werden (“Carbon Leakage”), also zwar nicht mehr in Deutschland, dafür dann aber in einem anderen Land anfallen. Hier braucht es kluge Ansätze, mit denen die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleibt und gleichzeitig die CO2-Emissionen reduziert werden.
Das EWI untersucht, wie sich staatlich induzierte Strompreisbestandteile und andere regulatorische Eingriffe auf die Wettbewerbsbedingungen verschiedener Industriebranchen auswirken. So wurden beispielsweise für das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) die Auswirkungen des deutschen Kohleausstiegs auf den Strompreis berechnet und eingeschätzt, welche zusätzlichen Folgen dieser für verschiedene Industriebranchen mit sich bringt. Auch widmet sich das EWI Fragen rund um das Thema Carbon Leakage und mögliche Gegenmaßnahmen, zum Beispiel Strompreiskompensation im Rahmen des europäischen Emissionshandels (EU ETS).
Der Einsatz emissionsmindernder Technologien in der Industrie hängt maßgeblich von deren kurz- und langfristiger Wirtschaftlichkeit ab. Beispielsweise kann die heutige Wasserstoffnachfrage der Industrie von fossiler (z.B. Methandampfreformierung) auf klimaneutrale Erzeugungstechnologie (z.B. Wasserelektrolyse) umgestellt werden.
Am EWI wurde hierzu ein Modell entwickelt, das den Einsatz der beiden Technologien in einem geschlossenen System gegenüberstellt und unter gegebenen Rahmenparametern (zum Beispiel Strom-, CO2– und Rohstoffpreise) optimiert, um die Wirtschaftlichkeit der konkurrierenden Technologien zu bewerten. Das Modell kann beispielsweise den Einsatz grünen Wasserstoffs gegenüber konventionellem Wasserstoff für die Versorgung von Raffinerien oder Chemieunternehmen unter der Verwendung von Wasserstoffspeichern optimieren.
Das immer volatiler werdende Stromangebot erfordert, dass die Stromnachfrage flexibler wird. Die Industrie stellt das vor die Herausforderung, wie sie Flexibilität anbieten kann, während die Qualität ihrer Produkte gleich gut bleibt.
Das EWI forscht zu diesen Fragen im Rahmen von verschiedenen Projekten. Beispielsweise untersucht das Institut, wie man Flexibilität in sequenziellen Märkten vermarkten kann. Außerdem betrachtet das EWI, welchen Einfluss unterschiedliche Marktdesigns auf die Investitionen in Flexibilitätsoptionen und deren räumliche Allokation haben. Koordinationsprobleme zwischen Netzinvestitionen, Erzeugungsinvestitionen und Investitionen in weitere Flexibilitätsoptionen werden dabei berücksichtigt.